Recht haben oder
Lösungen finden? Warum destruktiver Streit ein Beziehungskiller ist und wie Du
Konflikte ohne Verletzungen klären kannst.
Destruktiver Streit
Erinnerst Du Dich an den letzten großen Streit mit Deinem
Partner oder einem anderen wichtigen Menschen? Weißt Du noch, wie sauer Du
warst, wie wütend oder verletzt? Wie enttäuscht von diesem Menschen, den Du
doch eigentlich so liebst? Und vielleicht hast Du sogar selbst so richtig
ausgeteilt, hast mal alles rausgelassen was Dich schon lange nervt. Gerecht
oder ungerecht- wen interessiert das schon, wenn man erst mal richtig
hochgefahren ist- dann geht es meist nur noch darum Recht zu haben, den
kritischen Zeigefinger zu erheben, um so die Schuld des Anderen zu beweisen.
Denn eins ist klar: Du bist hier das Opfer! Und deshalb hast Du Recht…
Okay, ich hab jetzt ein bisschen übertrieben- aber ich bin
sicher, dass Du diese „Aber Du…“ , und „Nie machst
Du…“, „Immer muss ich…“ Anklagespiele auch recht gut kennst.
Und wenn Du ehrlich bist, geht es Dir in diesem Moment gar nicht mehr darum,
Lösungen zu finden. Wenn wir streiten, wollen wir Recht haben, wir kämpfen- und
zwar gegeneinander und nicht miteinander.
Nicht immer streiten Paare allerdings so temperamentvoll und
lautstark. Manchmal ist es eher ein „kalter Streit“, der mit knappen,
sarkastischen Sprüchen einhergeht, oder durch Abblocken, Ignorieren und
Distanziertheit Verletzungen hervorruft. Glaube nicht, dass sich anschweigen
oder die kalte Schulter zeigen, besser ist als sich lautstark zu streiten. Es
ist nur eine andere Spielart.
Das Problem nämlich ist immer dasselbe. Es wird keine
wirkliche Lösung gefunden, zumindest keine konstruktive. Verdrängen, nachgeben
und den Ärger runterschlucken, oder so
tun, als sei nichts ist vielleicht kurzfristig hilfreich. Erst einmal kehrt
Beziehungsfrieden ein. Zumindest scheint es so. Langfristig aber kochen die
immer selben Probleme in der Beziehung hoch und deshalb auch irgendwann über.
Der Versöhnungssex ist am schönsten
Das mag sein, aber es ändert nichts daran, dass nach jedem destruktiven
Streit Reste von Verletzungen bleiben, auch wenn die Versöhnung noch so schön
war. Man entschuldigt sich vielleicht, verzeiht selbst und doch bleibt da noch
irgendetwas zurück, tief innen. Wie Plaque legen sich bei jedem destruktiven
Streit kleine Ablagerungen auf die Lebendigkeit der Beziehung. Unmerklich oft
entsteht so mit der Zeit eine innere Abhärtung, das Vertrauen bekommt Risse,
und irgendwann ist die Beziehung starr und leblos. Das passiert natürlich nicht
sofort. Manchmal zeigt sich erst nach Jahren, dass die immer und immer
wiederkehrenden gegenseitigen Verletzungen großen Schaden angerichtet haben.
Dann hat man längst aufgehört, zu streiten. Bringt je eh nichts. Resignation
ist angesagt, die Kluft zwischen den Partner ist wie ein Krater, groß und
scheinbar unüberwindlich. Die Beziehung hat sich abgekühlt.
Beziehungen sterben nicht aus mangelnder Liebe- sie
sterben an mangelnder Kommunikation
Das erlebe ich in der Paarberatung sehr häufig. Es gibt
Paare, die seit Jahren nicht mehr über sich selbst und die Beziehung mit Ihrem
Partner gesprochen haben. Sie sprechen auch während der Sitzung nicht mit dem
Partner, sondern über ihn. Manchmal sogar in der dritten Person. Sie sind
soweit entfernt voneinander wie der Mond und die Sterne. Die Körpersprache ist
abgewandt. Auf die Frage, was sie noch verbindet, werden die Kinder angeführt,
oder das Haus dass man gemeinsam gebaut hat. Auch die Gewohnheit. Das Leben
funktioniert halt irgendwie, man lebt nebeneinander her. Ganz normal. Von
Liebe, Leidenschaft, gemeinsamer Freude oder Zielen keine Spur.
Zweckgemeinschaft. So ist es eben nach vielen Jahren Beziehung. Gemütliche
Langeweile.
So muss es aber nicht sein! Genau deshalb ist ja es so
überaus wichtig, zu lernen wie man gelingend Probleme lösen kann und wie man
miteinander im Gespräch bleibt. Und das Gute daran ist, dass man jederzeit
damit anfangen kann.
Ein Paar, dass nicht miteinander spricht, verlernt sich
kennen
Das Leben ist voller Veränderungen, jeden Tag passiert etwas
Neues. Wir begegnen Menschen, wir lernen, wir lassen und inspirieren, wir
machen Erfahrungen, ziehen Schlussfolgerungen. Dadurch verändern wir uns jeden
Tag ein klein wenig. Es ist kaum zu spüren. Und doch passiert es, jedem von
uns.
Nach einigen Jahren Beziehungen denkst Du vielleicht, Du
kennst Deinen Partner. In und auswendig sogar, was soll es da Neues geben. Die
traurige Wahrheit ist, wenn Du nicht mit Deinem Partner im Gespräch bleibst,
verlernt Ihr Euch kennen. Ihr habt kein Update mehr voneinander. Dann lebst Du
mit einem Bild von Deinem Partner, dass Du für die Realität hältst, doch damit
kannst Du total danebenliegen. Und irgendwann wachst Du auf und staunst, wie
weit Ihr Euch voneinander entfernt habt.
Versteh mich nicht falsch, ich möchte keine
Beziehungsschreckgespenster an die Wand malen. Aber vielleicht hilft Dir die
Erfahrung anderer Paare dabei, genau diesen Fehler nicht zu machen und einfach
miteinander reden zu lernen. Deshalb verrate ich Dir jetzt das Geheimnis
gelingender Beziehungsgespräche. Wenn Du diese Methode ausprobierst, wird sich
etwas in Deiner Beziehung verändern. Das verspreche ich Dir.
Regelmäßige, lösungsorientierte Beziehungsgespräche
Alles was ich Klienten weitergebe, habe ich selbst probiert
und für gut befunden. Glaub mir, ich kenne so gut wie alle Beziehungsfallen
nicht nur in der Theorie. Und das hilft mir in meiner Arbeit mit Paaren
wirklich weiter. Deshalb ist es mir so wichtig, dass Anleitungen nicht nur in
der Theorie, sondern auch in der Praxis funktionieren. Aus den wirksamsten,
bekannten Methoden habe ich eine Anleitung zusammengestellt, die schon vielen
Paaren weitergeholfen hat. Hier kommt Sie:
Die Grundlagen:
– Regelmäßigkeit ist
für Beziehungsgespräche sehr wichtig. Vereinbare mit Deinem Partner einen festenTermin,
verabredet Euch so wie früher. Das gilt besonders, wenn Ihr wenig Zeit habt.
Dieser Termin ist wichtig. Es geht schließlich um Eure Beziehung. Nehmt Euch
ein oder zwei Stunden, in denen Ihr völlig ungestört seid. Am besten einmal pro
Woche. Und wichtig: Handy ausschalten!
– Begrenzt die Zeit.
Gerade für Männer sind Beziehungsgespräche oft anstrengend. Wenn es erst einmal
losgeht, scheint das irgendwie nie aufzuhören. Und am Ende ist man(n) doch
wieder Schuld! Das höre ich von Männern immer wieder. Auch deshalb ist Struktur
wichtig für Beziehungsgespräche. Wenn Ihr mit 20 oder 30 Minuten beginnt, ist
das für den Anfang schon genug. Am besten, Ihr stellt Euch einen
Kurzzeitwecker.
– Einigt Euch auf ein
Thema! Wenn Ihr jeweils nur ein Thema besprecht, ist das vollkommen
ausreichend. Zu viele Themen lassen die Gespräche ausufern und sorgen schnell
für neuen Konfliktstoff.
– Vorbereitung ist
alles! Nimm Dir vor jedem Gespräch 10 Minuten Zeit und mach Dir in Ruhe ein
paar Gedanken zu dem, was Dir am Herzen liegt und was Du gerne sagen möchtest.
Wenn Du Dir Notizen machst, geht es noch besser. Erkläre Deine Sichtweise aus
der Ich- Perspektive. Keine Vorwürfe, kein verbaler Zeigefinger, keine
Anschuldigen. Wie das genau geht, erkläre ich Dir im nächsten Absatz.
– Zuhören ist eine
Kunst. Wenn einer spricht, hört der andere einfach nur zu. Kein
Unterbrechen, keine Kommentare, kein Augenrollen, keine zynischen Bemerkungen.
Wenn Dein Partner spricht, hörst Du ihm einfach nur zu. Sonst nichts. Glaub
mir, das klingt einfach, ist aber in Wirklichkeit ganz schön anstrengend. Das
wirst Du sicher selbst bald merken.
– Verständnisfragen
sind okay. Wenn Dein Partner seine Sichtweise erklärt hat, kannst Du ihm
sagen, was bei Dir angekommen ist und noch einmal nachfragen, ob Du das richtig
verstanden hast. Vielleicht brauchst Du auch noch eine weitere Erklärung, um
wirklich zu verstehen was Dein Gegenüber meint.
Ablauf
– Was ist mir an dem
Thema wichtig? Beschreibe das Problem oder Thema aus Deiner Sicht. Wie
stellt sich das Ganze für Dich dar? Erkläre Deinem Partner Deine Welt. Glaube
nicht, dass Dein Partner doch wissen muss wie Du das siehst. Das stimmt nicht.
Es ist Deine Aufgabe, es ihm zu erklären. Welcher Aspekt des Problems hat für
Dich die größte Bedeutung. Wie stellt sich das dar? Bleibe dabei in der Ich-
Haltung und vermeide den verbalen Zeigefinger.
– Das bedeutet für
mich, oder: ich frage mich dann, ob: Was bedeutet das für Dich genau? Was
denkst Du dann? An was erinnert Dich diese Situation. Wie geht es Dir damit.
Welche Fragen stellst Du Dir in so einer Situation? Lass Deinen Partner in
Deine Gedankenwelt eintauchen, er hört Dir zu.
– Ich fühle mich
dann… Wie fühlst Du Dich in der Situation? Was geht in Deinem Innenleben
vor? Benenne die leidvollen oder widersprüchlichen Gefühle, die für Dich in der
Situation aktiv werden. Bleibe auch hier konsequent in der Ich-Haltung. Sprich
von Dir.
– Was wünschst Du Dir
statt dessen? Formuliere einen Wunsch oder eine Bitte an Deinen Partner in
Bezug auf das Thema oder Problem. „Ich wünsche mir, dass…Kannst Du das
für mich tun?“ Achte darauf, dass es keine Forderung wird, die Du
aussprichst.
– Bedanke Dich, dass
Dir Dein Partner zugehört hat. Das ist wichtig. Frage Ihn, was bei Ihm
angekommen ist. Ergänze vielleicht noch das eine oder andere. Lass es aber
nicht in eine Diskussion ausarten. Fasst Euch an dieser Stelle besser kurz.
Nun wechselt Ihr die
Position. Du hörst aufmerksam zu. Dein Partner beschreibt genau wie Du das
Thema nach den genannten Schritten aus seiner Perspektive. Gehe sicher, dass Du
alles richtig verstanden hast.
– Welche
Lösungsvorschläge kannst Du machen? Überlegt Euch jetzt jeder 1 bis maximal
3 Lösungsvorschläge zu dem Thema. Jetzt, wo Ihr Eure verschiedenen Sichtweisen
kennt, ist das sehr viel einfacher.
– Jeden Vorschlag
abwechselnd und einzeln bewerten. Auf einer Skala von 1 bis 10, wenn eins schlecht
und 10 ganz wunderbar ist- wie würdest Du diesen Vorschlag bewerten? Stimmt
abwechselnd über jeden Vorschlag einzeln ab, und zwar jeder für sich. Wenn der
Durchschnitt Eurer Bewertungen über 7 ist, wird er notiert. Alles, was unter
dem Durchschnitt 7 ist, sieht eher nach einem faulen Kompromiss aus. Alles
unter 5 könnt Ihr getrost vergessen.
Wichtig dabei ist, nicht zu diskutieren und zu
argumentieren, sondern intuitiv abzustimmen. Das beugt der Gefahr von neuem
Streit vor und ist dennoch sehr wirkungsvoll und stimmig.
Wenn alles gut
gelaufen ist, habt Ihr jetzt mindestens einen Lösungsvorschlag, mit dem beide
gut leben können. Sozusagen eine win-win Situation, anstatt eines faulen
Kompromisses. Ihr habt Euch zugehört und verstanden- und das war mit Sicherheit
ein sehr eindrucksvolles und intensives Erlebnis. Manchmal entstehen dabei auch
sehr berührende, emotionale Momente. Das ist richtig und wichtig. Sich auf
diese Weise einander zu öffnen ist sehr bewegend. Wenn es sich gut anfühlt,
könnt Ihr Euch während des Gespräches auch an der Hand halten, um die
Verbindung zu spüren. Mach Dir bitte keine Sorgen, wenn Momente des Schweigens
entstehen. Auch das ist möglich. Meist sind Sie voller Intensität und Gefühl.
Die Praxis der Lösungsorientierten Paargespräche ist
einfach, aber nicht leicht. Die Schwierigkeit besteht darin, bewusst neue Pfade
der Kommunikation zu beschreiten, anstatt in die immergleichen, automatischen
Muster zu verfallen. Und wie alles, was wir neu lernen, geht das am Anfang
etwas holprig. Deshalb ist es gut, eine Struktur und einen Ablaufplan zu haben.
Mit der Zeit merkst Du ganz von allein, dass es einfacher wird. Immer wieder
erlebe ich, dass Paare dann die Methode etwas abändern, also für sich passend
machen.
Die Wirksamkeit der Lösungsorientierten Paargespräche beruht
auf Achtsamkeit, wirklichem Zuhören und einer konsequenten Ich-
Ansprechhaltung. Unter anderem habe ich dafür auf die Praxis der
„Zwiegespräche“ von Lucas Möller, aber auch auf die Methodik der
„Gewaltfreien Kommunikation“ von Marshall B. Rosenberg und der
Lösungsorientierten Kurzzeittherapie von Steve des Shazer und Insoo Kim Berg
zurückgegriffen. Alle Quellen findest Du in den Shownotes.
Probier es aus, ich bin gespannt was Du dabei herausfindest.
Vielleicht möchtest Du auch Deine Erfahrungen mit mir teilen, darüber würde ich
mich wirklich freuen. Gerne kannst Du mir auch schreiben, wenn Du noch Fragen
dazu hast.
.
Ich wünsch Dir auf jeden Fall viel Erfolg. Bis bald,
Deine Claudia Bechert-Möckel